Samstag, 12. Mai 2012, Cuenca, Ecuador (-7 Std.)
Eigentlich habe ich ja jetzt Ferien und ich hatte mir vorgenommen, den PC nur noch nach den offiziellen Schulbesuchen für die Fact Sheets über die Schulen einzuschalten. Aber es gibt Sachen, die muss ich euch einfach berichten 🙂
Meine Gastmutter Fabiola ist der Hammer… Wie ein Kind am erste Schultag, begleitet sie mich heute früh zur Estudio Sampere, wo der Ausflug zum „Chorro de Girón“ startet. Ich will mich von ihr verabschieden und mich den wartenden Studenten vorstellen, aber Fabiola will da bleiben, bis die Lehrerin auftaucht. Erst dann verabschiedet sie sich. Kurz bevor wir losfahren, taucht Fabiola plötzlich noch mal auf. Sie hätte mir vergessen zu sagen, dass ich dort hinten in dem kleinen Laden noch Wasser kaufen könne! 😀
Unsere kleine Gruppe mit fünf Sprachschülern, einer Lehrerin, einem Reiseleiter und einem Fahrer bricht anschliessend Richtung Girón auf. Die Anreise führt uns über die Ruta Panamericana, welche von Alaska bis nach Feuerland führt. Das wäre doch auch noch mal ein Reiseziel – die ganze Panamericana von Norden nach Süden…
Ich fühle mich übrigens wie auf einer Schulreise und in meine Kindheit zurückversetzt: Fabiola hat mir ein Lunch-Paket gebastelt, in welches ich nun zum ersten Mal einen Blick werfe. So spannend, was ich da alles an leckeren Sachen finde!
Nach einem kurzen Halt in Girón im Museo Casa de los Tratados, fahren wir weiter zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Ein erster, kürzerer Marsch führt uns zu einem nahe gelegenen Wasserfall, der auch von anderen Gruppen besucht wird. Alle sind noch frisch und munter, auch die zwei Amerikanerinnen, welche mit leichten Turnschuhen, Shorts und kleinen T-Shirts tapfer mitlaufen, obwohl es auf der Ausflugsbeschreibung klar geheissen hat, dass man Trekkingschuhe (oder Gummistiefel :-)), warme Kleidung und eine Regenjacke mitbringen soll. Bei diesem Wasserfall werden sie zum ersten Mal etwas nass, was bei den heutigen Temperaturen und auf dieser Höhe (über 2‘000 Meter) nicht unbedingt so angenehm ist, wenn man nichts Warmes dabei hat.
Zu Beginn des Aufstieges zu den nächsten Wasserfällen, als einige schon ausser Atem geraten, warnt uns der Guide, dass das noch nicht mal der Anfang sei… Wer mich wandernd kennt, der weiss, dass ich in diesem Bereich weder zu den Schnellen, noch zu den Tapferen und schon gar nicht zu den Ausdauernden gehöre… Aber in dieser Gruppe – ich sage euch, ich fühle mich wie Superwoman 🙂 Zwischendurch regnet es ein paar Mal recht heftig und ich bin so froh über meine guten Schuhe, meinen warmen Pulli und meine Regenjacke. Wie die beiden Chicks vor mir das mit ihren durchnässten kurzen Shorts und Shirts aushalten ist mir ein Rätsel… Das letzte Stück des Weges ist superrutschig und wir müssen uns den Weg durch den immer dichter werdenden Nebelwald regelrecht erkämpfen. Aber wir schaffen es bis zum Ziel und einer der verrückten Amerikaner springt sogar in das eiskalte Wasser der imposanten Wasserfälle.
Wer sich auf den Abstieg gefreut hat, der wird nun belehrt, dass dieser noch rutschiger und nicht weniger anstrengend ist. Da ich ja jetzt diese Superwoman bin, bin ich wohl etwas zu übermütig und rutsche unvorbereitet ein rechtes Stück den schlammigen Weg runter – aua…
Ich habe das Gefühl, die eine Amerikanerin fängt jeden Moment an zu heulen und man hört jetzt nur noch „I hate wet socks and shoes“, „I have never in my life done anything like this“, „I think I am dying“… Ehrlich gesagt, gehen mir jetzt selber Bilder durch den Kopf, wie man sie aus gewissen Horrorfilmen kennt. Sind nicht auch in diesen Filmen, in denen auf solchen Ausflügen (der Nebel holt uns immer wieder ein und man sieht nichts mehr von der Landschaft) etwas passiert oder Leute verschwinden, immer so unvorbereitete leicht bekleidete Mädels dabei?
Wir sind alle froh, als wir wieder beim Ausgangspunkt im Restaurant sitzen. Wahrscheinlich auch der Guide, da er uns alle heil wieder heruntergebracht hat.
Übrigens: Die ganze Zeit über hat uns ein Schäferhund begleitet (und geführt, denn er kannte den Weg) und als wir zurückkommen, will sein Besitzer doch tatsächlich etwas dafür verlangen 🙂
Wieder bei Fabiola angekommen (meine Jeans stehen vor Dreck), muss ich mich zuerst mal mit einer Kopfwehtablette hinlegen. Anscheinend habe ich mich noch nicht richtig an die Höhe gewöhnt (Cuenca liegt auf über 2‘500 Metern) und mein Kopf scheint nun zu platzen…
Nach dem Nachtessen falle ich daher auch bereits um 22.00 Uhr geschafft ins Bett.
Ach ja: Bevor ich ins Bett fallen kann, fragt mich Fabiola, worauf ich schon die ganze Zeit warte: Ob ich schon einmal Cuy gegessen hätte. Was Cuy ist? Morgen mache ich ein Foto davon 🙂